Berlin, den 20.11.2017
Stellungnahme von 31 Mitgliedern des wissenschaftlichen Beirats von attac
Deutschland zu Trumps Umgang mit dem Iran-Atomabkommen
Donald Trump, Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, hat schon während
seines Wahlkampfes das „Iran-Atomabkommen“ als „das schlechteste Abkommen“
angeprangert, „das die USA je abgeschlossen haben“. Mit der Bekanntgabe seiner
Iran-Strategie am 13. Oktober hat er das Abkommen massiv in Frage gestellt. Ein für
Iran entscheidendes Element dieses Atomabkommens ist die Aussetzung der
Wirtschaftssanktionen. Dazu verpflichtete der US-Kongress den Präsidenten,
periodisch zu bestätigen, dass der Iran gegen das Abkommen nicht verstoßen hat.
Obwohl die internationale Atomenergiebehörde keine Verstöße des Irans gegen das
Abkommen festgestellt hat, weigerte sich Trump, die Einhaltung des Abkommens
durch den Iran zu bestätigen. Innerhalb von 60 Tagen muss nun der US-Kongress
entscheiden, ob die USA die schon vor dem Atomabkommen verfügten harten
Wirtschaftssanktionen gegen den Iran erneut in Gang setzt. Diese Sanktionen sind
hauptsächlich zu Lasten der Bevölkerung gegangen und haben das tägliche Leben
stark belastet. Trumps Strategie ist durchsichtig: Er verfolgt das Ziel, Iran zur
Aufkündigung des Abkommens zu provozieren. Damit wäre der gefährliche
Nuklearkonflikt, der schon 2006 unter Bush Junior beinahe zu einem Krieg des
Westens gegen den Iran geführt hätte, in vollem Umfang wieder auf der Weltbühne,
und der Iran wäre dann der Schuldige.
George W. Bush benutzte damals das iranische Atomprogramm als Vorwand, um
einen Regime-Change im Iran herbeizuführen, notfalls auch gewaltsam. Nun nimmt
Trump das Abkommen mit Iran zum Anlass, um den Iran als Regionalmacht
auszuschalten, notfalls durch einen neuen Krieg im Mittleren Osten. Die massive
Aufrüstung Saudi Arabiens mit Waffenexporten im Umfang von 350 Milliarden USDollar
und die neuerlichen Reisen des saudischen Königs zunächst nach Moskau,
dann zusammen mit dem US-Außenminister Tillerson nach Baghdad müssen vom
Iran als politische und militärische Umzingelung und Schritte zur Kriegsvorbereitung
wahrgenommen werden. Die jüngsten Beschuldigungen des saudischen Kronprinzen
und des überraschend zurückgetretenen libanesischen Präsidenten Hariri, der Iran
und die Hisbollah destabilisierten den Libanon, dienen offensichtlich nur dazu, die
Konfrontation mit dem Iran zu verschärfen. Sie haben unsere Befürchtungen
bestätigt, dass insbesondere Saudi-Arabien seine Kriegsvorbereitungen gegen den
Iran verstärkt. Wir verurteilen auf das Schärfste den neuen Versuch der USA und
seines engen Verbündeten Saudi Arabien, nach dem Kriegsdesaster im Irak einen
neuen und noch größeren Flächenbrand im Mittleren Osten zündeln zu wollen.
Die EU und die deutsche Bundesregierung, die zusammen mit Obama starken Anteil
am Zustandekommen des Iran-Atomabkommens hatten, widersprachen umgehend
und unmissverständlich der Absicht des US-Präsidenten, das Atomabkommen mit
Iran in Frage zu stellen. Wir begrüßen diese klare Haltung der EU und fordern sie
auf, nicht zurückzuweichen. Gleichwohl kann die gegenwärtige Haltung der
Bundesregierung und der EU nicht vergessen machen, dass sie in der
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Vergangenheit die Strategie der US-Regierung unter George W. Bush im Iran-
Atomkonflikt, vor allem sämtliche Sanktionsbeschlüsse, die die USA initiiert haben,
aktiv mitgetragen und teilweise sogar verstärkt haben. Wir haben auch nicht
vergessen, mit welcher Intensität die Regierungen der meisten Nato-Staaten,
einschließlich der EU und ihrer „Leitmedien“, das Feindbild Iran aufbauten und eine
regelrechte psychologische Kriegsvorbereitung betrieben. Erst als Barack Obama die
Konfliktstrategie gegenüber dem Iran stoppte, ist auch die EU auf Obamas Politik der
Konfliktentschärfung eingeschwenkt und hat mit der US-Regierung konstruktiv an der
Beilegung des Iran-Atomkonflikts mitgewirkt.
Ein wichtiges Element des Sanktionsregimes von USA und EU sind exterritoriale
Sekundärsanktionen, die der iranischen Wirtschaft und der Bevölkerung vor dem
Atomabkommen erheblichen Schaden zugefügt haben. Solcherart Sanktionen
richteten sich nicht nur gegen den Iran, sie richteten sich gegen alle EU-Firmen, die
mit dem Iran wirtschaftliche Beziehungen unterhielten. Die erneuten Sanktionen
gegen den Iran, die Trump und viele Republikaner nachhaltig verfolgen, ist ein ernst
zu nehmender Versuch, die EU-Geldinstitutionen und -Firmen durch die zu
erwartenden hohen Strafen dazu zu zwingen, ihre Wirtschaftsbeziehungen mit dem
Iran zu beenden und die EU wieder auf US-Kurs zurückzubringen.
Wir erinnern die EU an ihre eigene Verordnung 2271 aus dem Jahr 1996, die
Sanktionen, die extraterritorial wirken, für völkerrechtswidrig erklärt. Sie war die
Reaktion auf die Versuche der USA, Sanktionen gegen Kuba und Iran mit Wirkung
gegen andere Länder durchzusetzen (sog. Helms-Burton-Act). Die
Außenwirtschaftsverordnung in Deutschland verbietet ausdrücklich deutschen
Firmen, sich an dem Boykott zu beteiligen, der nicht durch Deutschland, die EU oder
die UNO beschlossen wurde (§ 7).
Die EU müsste eine aus den eigenen langfristigen Interessen abgeleitete und an
einer friedlichen Kooperation mit allen Staaten des Nahen und Mittleren Ostens
angelehnte Politik entwickeln und sie auch offensiv durchsetzen. Die EU hat die
historische Chance, ihre Iran- und Mittelostpolitik auf neue und von den Vereinigten
Staaten unabhängige Gleise zu stellen. Donald Trump hat in seiner rücksichtslosen
Art offen gelegt, welchen politischen und ökonomischen Preis Europa für seine
blinde Gefolgschaft zu den USA zu zahlen hat. Wir Unterzeichnerinnen und
Unterzeichner dieser Stellungnahme verurteilen die gefährliche Konfliktstrategie der
USA im Mittleren Osten und fordern die deutsche Bundesregierung und die EU auf,
sich klar davon zu distanzieren. Darüber hinaus fordern wir EU und Bundesregierung
auf:
Schon jetzt an die Adresse von USA, Saudi Arabien und Israel öffentlich zu –
erklären, dass sie einen Krieg gegen Iran ablehnen und sich nicht an ihm beteiligen
werden;
– Den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zur völkerrechtlichen Überprüfung der
extraterritorialen Sekundärsanktionen anzurufen;
– Schon jetzt der US-Regierung unmissverständlich zu signalisieren, dass sie im
Falle von US-Sanktionen gegen Iran alle ihrer Möglichkeiten nutzen werden, um den
Handel mit Iran sicherzustellen. Auch ausländische Investitionen im Iran sollten
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seitens der EU so abgesichert werden, dass die begonnenen und zukünftigen
Investitionen im Iran auch weiterhin möglich sein werden;
– Das Iran-Atomabkommen zum Anlass zu nehmen, eine Konferenz für eine
Massenvernichtungswaffen-freie Zone im Mittleren und Nahen Osten mit dem Ziel
einzuberufen, alle nuklearen, chemischen und bakteriologischen Waffen
abzuschaffen. Die Iranische Regierung hat zu einer solchen Konferenz bereits ihre
Zustimmung signalisiert.
UnterzeichnerInnen:
Prof. Dr. Elmar Altvater
Dr. Axel Bust-Bartels
Prof. Dr. Rudolph Bauer
Dr. Josef Berghold
Prof. Dr. Armin Bernhard
Prof. Dr. Ulrich Duchrow
Prof. Dr. Dr. h.c. Frigga Haug
Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Fritz Haug
Prof. Dr. Heide Gerstenberger
Prof. Dr. habil. Peter Herrmann
Prof. Dr. Rudolf Hickel
Dr. Heike Knops
Dr. Lydia Krueger
Prof. Dr. Birgit Mahnkopf
Prof. Dr. Mohssen Massarrat;
Prof. Dr. Klaus Meschkat
Dr. Lutz Mez
Dr. phil. Dipl-Ing. Wolfgang Neef
Prof. Dr. John P. Neelsen
Prof. Dr. Norman Paech
Prof. Dr. Niko Paech
Dr. Urs Müller-Plantenberg
Dr. Werner Rügemer
Dr. Thomas Sablowski
Prof. Dr. Michael Schneider
Prof. Dr. Gerd Steffens
Dr. Fritz Storim
Prof. Dr. Isidor Wallimann
Dr. Christa Wichterich
Prof. Dr. Frieder Otto Wolf
Dr. Winfried Wolf
Ich lasse mir gerne Zynismus vorwerfen, wenn er guten Zielen dient. Sollte es Netanjahu gelingen, die Amerikaner in einen Krieg gegen den Iran zu zerren, so täten die Amerikaner gut daran, dafür zu sorgen, dass sie die richtigen “Boys” an die Front schicken: Wiedereinführung der Wehrpflicht und dann die Söhne der erzkonservativen Thinktank-Betreiber und Autoren sowie der AIPAC-Mitglieder einziehen. Und das möglichst für Selbstmordkommandos.
Der Attac Aufruf ist sehr gut. Leider ist das alles sehr besorgniserregend. Ich würde den auch gerne unterschreiben. Gibt das eine Möglichkeit?