Mörderisches Schweigen Von Evelyn Hecht-Galinski

Kommentar vom Hochblauen

 

 

Mörderisches Schweigen

Von Evelyn Hecht-Galinski

 

Eines der häufigsten Volksleiden in Deutschland sind Rückenprobleme. Fragen wir doch einmal nach einer der Hauptursachen. Kommt dieses „deutsche Leiden“ nicht speziell vom vielen Buckeln? Beginnen wir aus einem aktuellen Anlass. Da spricht der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer, SPD, einmal das aus, was schon längst offiziell gesagt werden müsste. Vor dem Bremer Landesparlament hatte er Ende September ausgeführt, er würde auch demonstrieren, „wenn ich sehe, dass die israelische Armee am Grenzzaun Dutzende von Palästinensern einfach hinrichtet. Auch dafür habe ich kein Verständnis. Und ich kann alle diejenigen verstehen, die das zum Anlass nehmen, um hier auch sehr deutlich ihre Meinung zu sagen“. (1) Sofort nach dieser völlig korrekten und nicht abzustreitenden Darstellung erklang großes Protestgeschrei seiner Kritiker aus SPD, CDU, FDP und Grünen. Und natürlich hechelte auch der ewige Volker Beck wieder mit, wenn es darum geht, Antisemitismus zu wittern. Genau: Innensenator Mäurer musste sich wegen des Vorwurfs des Antisemitismus verteidigen. Besonders unverschämt reagierte die Grünen-Landeschefin Alexandra Werwarth, die ihm „antisemitische Lügenverbreitung“ vorwarf und von ihm eine Entschuldigung erwarte. Hoppla, eine Entschuldigung, weil ein Politiker und Innensenator endlich einmal das ausgesprochen hatte, was an der Grenze zum Konzentrationslager Gaza Freitag für Freitag geschieht? (2)

 

Fans der Exekutions-Politik des israelischen Regimes wittern „Antisemitismus“

 

Für diese Fans der israelischen Exekutions-Politik spielen die ermordeten Palästinenser keine Rolle, und deshalb schweigen sie lieber zu der mörderischen Politik des „Jüdischen Staates“, dessen Oberster Gerichtshof schon 2006 erklärte, dass die „präventive Exekution“ möglicher Terrorattentäter rechtmäßig sei. Schließlich gehörten seit Beginn der Intifada des Jahres 2000 die „außergerichtlichen Hinrichtungen“ zur verbrecherischen Normalität des Regimes. Schon seit damals wird es einer Gruppe von Scharfschützen gestattet, willkürlich über Leben und Tod zu entscheiden. Schon damals zählten israelische NGO`s mehr als 500 Opfer dieser illegalen „Lizenz zum Töten“. Auf der Todesliste des „Jüdischen Staates“ standen und stehen sowohl palästinensische Widerständler, die sich legal gegen die illegale Besatzung und die stete Landnahme wehren, als auch politische Gegner.

 

Seit damals nahmen die „Straßenhinrichtungen“, der „bewaffneten Henker“ zu und nicht nur jüdische „Verteidigungssoldaten“, sondern auch immer mehr nationalistische judaistische Siedler sehen sich berechtigt, zu morden.

 

Selbstherrlich zum Richter und Henker gemacht

 

Ebenso das unvergessene Bild des geradezu lustvoll mordenden, damals 21jährigen Soldaten Elor Asaria, der 2016 im illegal besetzten Hebron einen verletzten, am Boden liegenden Palästinenser mit einem Kopfschuss ermordet hat. Auch er hatte genau nach der vorgegebenen Maxime gehandelt und sich selbstherrlich zum Richter und Henker gemacht, der einfach entschied, dass der Palästinenser zu sterben hatte. Als er von einem Militärgericht zu lediglich 18 Monaten Haft für diesen kaltblütigen Mord verurteilt wurde, nahm er das Urteil lachend an. Die Anklage hatte „milde“ drei bis fünf gefordert, während die „normale“ gesetzliche Höchststrafe bei zwanzig Jahren liegt. Während seine rechtsextremen Anhänger vor dem Gericht für ihn brüllten und seine sofortige Freilassung forderten, waren Netanjahu und Lieberman sofort dafür, diesen „Helden“ zu begnadigen, denn palästinensisches Leben zählt nicht.

 

Deshalb ist es auch kein Wunder, dass dieser „Mördersoldat“ schon nach neunmonatiger Haft entlassen wurde. Freudig gefeiert von Politikern, von Siedler- und Bildungsminister Bennett bis zu Kriegsminister Lieberman und Ministerpräsident Netanjahu. Tatsache ist, dass dieser Vorfall symptomatisch für den Verfall eines großen Teils der jüdisch-israelischen Gesellschaft ist, die jedes Unrechtsbewusstsein verloren hat, wenn es darum geht, ihr „Auserwählt-Sein“ (56%) zu verteidigen.

 

Dem entsprach auch das Netanjahu-Regime, das mit einer Neuregelung beschloss, 600.000 Bürgern den Kauf von Waffen zu erlauben, zusätzlich zu den bisher 140.000 mit Waffenschein. Ein Abklatsch der USA und Trump, mit Unterstützung der Waffenlobby.

 

Israels Vorgehen: ein mörderischer Militäreinsatz am Konzentrationslager Gaza

 

Genau das ist das Klima, das die wöchentlichen Ermordungen, „außergerichtlichen Hinrichtungen“, an der Grenze zum Konzentrationslager Gaza legalisieren will. Allerdings packte im Mai dieses Jahres ein ehemaliger Scharfschütze der jüdischen „Verteidigungsarmee“ aus und kritisierte das Netanjahu-Regime für den Einsatz von „Snipern“ in Gaza. Die Bilder der gewaltlosen Massenproteste beim „Marsch der Rückkehr“ am Gaza-Zaun, die Verzweiflung und der Mut dieser eingesperrten Menschen, darunter Kinder, Frauen, Alte und Behinderte, gingen um die Welt. Seit Beginn der Proteste des Marsches der Rückkehr am 30 März wurden mehr als 197 Palästinenser ermordet und Tausende verletzt – als Resultat dieses mörderischen Militäreinsatzes. Stand vom 5. Oktober.

 

So erfuhren wir in einem Interview im britischen Guardian und in der SZ von dem ehemaligen Scharfschützen und heutigen „Breaking the Silence“-Aktivisten Nadav Weiman, dass er es kaum glauben konnte, was er sah, dass Scharfschützen gegen friedlich Protestierende eingesetzt werden. Er fragte sich, warum keine „normalen“ Soldaten eingesetzt wurden, sondern Sniper, die zum Töten ausgebildet wurden, und nicht dafür, Proteste zu stoppen. (3)(4)(5)

 

Das traurige Ergebnis ist die hohe Zahl der Ermordeten – palästinensischen Märtyrer, die nichts wollen außer Freiheit. Aber das scheint gerade in Deutschland immer mehr zum Tabu zu werden.

 

Dies führt uns nun wieder nach Bremen, wo der Innensenator einmal aus seinen Gefühlen keine Mördergrube machte und das aussprach, was er bei den Protesten an der Gaza Grenze gesehen und empfunden hatte. (6)(7)(8)(9)

 

Deutsche Volkskrankheit der „Buckelei“

 

Allerdings und jetzt kommen wir zurück zur deutschen Volkskrankheit der „Buckelei“, denn inzwischen haben sich viele Politiker und Medien infiziert und rudern sofort zurück, wenn die Israel-Lobby und ihre feigen Helfershelfer mit der Antisemitismus-Keule angreifen. Deshalb währte der Mut des Innensenators Mäurer nur kurz und er nahm seine (keineswegs „umstrittenen“!) „Israel- Äußerungen “ zurück. Warum wohl? Wahrscheinlich aus Angst um seinen Posten, den man ganz schnell verlieren kann, wenn man unangenehme Wahrheiten über Israel sagt.

 

Dieses Klima des mörderischen Schweigens, wenn es um die tatsächlichen Völker- und Menschenrechtsverbrechen des „Jüdischen Staates geht“, sind bedrückend und schändlich. Ich erinnere an einen ähnlichen Vorfall, als der ehemalige Außenminister Gabriel nach seinem Besuch in Hebron von einem „Apartheid-Regime“ sprach und Israel dafür kritisierte, „katastrophale“ Tragödien für Palästinenser zu schaffen. Auch Gabriel bedauerte seine völlig korrekten Aussagen nach Protesten der Israel-Lobby prompt und gelobte „bucklig“ und eilfertig, diese nicht mehr zu wiederholen. Immerhin war er noch „so mutig“, sich während seines ersten Besuchs als Außenminister beim Netanjahu-Regime im April 2017 mit Vertretern von „Breaking the Silence“ und B`Tselem zu treffen, was eine Absage des Termins mit Netanjahu zur Folge hatte. Mit seinem Nachfolger, dem „Auschwitzminister“ und kritiklosen Unterstützer des Besatzerstaates Maas, hat sich dieses Problem zur israelischen Zufriedenheit erledigt, und die jüdischen Freunde brauchen von dieser Seite keine Kritik zu befürchten.

 

Auch die katholischen Bischöfe, die nach einem Ramallah-Besuch einen Vergleich mit dem Warschauer Ghetto nicht scheuten, der sich ganz natürlich anbot und ein gebräuchlicher Begriff war und die ich verteidigte, ruderten nach Kritik von Kardinal Lehmann zurück. Soviel zur deutschen Buckelei, die sich durch Kirchen, Politik und Medien zieht. (10)

 

Merkel’sche Staatsräson: unkultivierter, unfreier Kleinmut

 

Allerdings, wie immer stinkt der Fisch vom Kopf her. Das bedeutet, dass Regierungschefin Merkel mit ihrer Regierungskonsultation ein mörderisches Beispiel des Schweigens gab, ganz im Sinne von Regierungschef Netanjahu, der sich freuen konnte über diese willfährige Delegation. Tatsächlich war das Motto: „altbekannte Differenzen“ sind nicht zielführend. Zwar wurde viel von der „Zwei-Staaten-Lösung“ gesprochen, die aber dank der ständigen Siedlungserweiterung und des steten Landraubs in „galaktische Ferne“ gerückt ist, und daher nicht viel mehr als eine Floskel ist. Ein Treffen mit Palästinensern hat Merkel, hinter Netanjahu weggeduckt, vermieden, und der Hilferuf der beduinischen Kinder wegen der bevorstehenden Zerstörung ihres Dorfes Khan-al Hamar verhallte und blieb unbeantwortet. Auch dieser unkultivierte, unfreie Kleinmut gehört eben zur Merkel’schen Staatsräson. (6)

 

Dafür besuchte Merkel zum x-ten Mal Yad Vaschem. Tief gerührt beschwor sie das „nie wieder“ und die immerwährende Verantwortung Deutschlands für den „Jüdischen Staat“, und beklagte den Antisemitismus in Deutschland, ohne auf die Hintergründe einzugehen. Nichts sollte die Eintracht stören und das „Geschenk der Freundschaft“ trüben, schon gar nicht mit Kritik am Besatzerstaat.

 

Schließlich geht es um strategische Kooperation und das Feiern der gemeinsamen Start-Ups und Innovationen. Tatsächlich sieht Israel Deutschland als Verbündeten, der „israelkritische Vorhaben“ anderer Staaten bremsen soll. In der gemeinsamen Erklärung von Merkel und Netanjahu bekräftigte man nochmals, das Deutschland während seiner Mitgliedschaft im UN-Sicherheitsrat als „Freund Israels“ handeln und dessen legitime Rechte unterstützen werde. Auch das buckelte Merkel.

 

Wie kann eine deutsche Regierung die Unterstützung ILLEGALER Ziele als legal bezeichnen und unterstützen? Tatsächlich hat sich der „Jüdische Staat“ mit seiner Politik und seinem neuen Nationalitätengesetz, das nur zur völligen Judaisierung Palästinas führen soll, völlig von einem Rechtssystem verabschiedet,.

 

Nein danke zur Israelisierung Deutschlands!

 

Es ist dieses mörderische Schweigen zu Unrecht, diese „christlich-zionistische“ Komplizenschaft mit einem Staat, der das internationale Recht bricht, das Merkel sich nicht einmischen und raushalten lässt in „inner- israelische“ Angelegenheiten, aber damit nur jedes demokratische “Werteverständnis“ mit Füßen tritt. Besonders als Netanjahu von einer „neuen Phase unserer Beziehungen“ sprach und seinen Gegenbesuch samt seines Kabinetts für 2019 androhte, lässt dies das schlimmste befürchten. Auch wenn Merkel meint, dass Deutschland vom „lebendigen Forschungsland Israel“ viel lernen kann. Nein danke! Wir wollen keine Israelisierung Deutschlands, die auf mörderischem Schweigen beruht, und kein Ducken und Buckeln vor einer Besatzungsmacht!

 

 

Fußnoten:

 

(1) https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-kritik-an-bremens-innensenator-maeurer-wegen-israelaeusserung-_arid,1774134.html

(2) https://www.weser-kurier.de/bremen/bremen-stadt_artikel,-maeurer-nimmt-umstrittene-israelaeusserung-zurueck-_arid,1774142.html

(3) https://www.theguardian.com/world/2018/apr/12/we-were-israeli-snipers-and-are-filled-with-sorrow-at-gaza-shootings

(4) https://www.sueddeutsche.de/politik/protest-in-gaza-wir-sniper-sind-zum-toeten-ausgebildet-wir-stoppen-keinen-protest-1.3980319

(5) https://www.haaretz.com/opinion/the-military-first-took-his-legs-then-his-life-1.5628827

(6) https://deutsch.rt.com/der-nahe-osten/70019-israel-rechtfertigt-toetung-von-palastinensern-wir-koennen-nicht-alle-ins-gefaengnis-stecken/

(7) https://www.dailysabah.com/mideast/2018/05/16/israeli-govt-justifies-killings-of-palestinians-saying-we-cant-put-all-of-these-people-in-jail

(8) https://www.nrc.no/news/2018/april/gaza-the-worlds-largest-open-air-prison/

(9) https://www.amnesty.org/en/latest/news/2017/04/israel-must-end-unlawful-and-cruel-policies-towards-palestinian-prisoners/

(10) https://www.deutschlandfunk.de/ghetto-ist-heute-ein-gebraeuchlicher-begriff.694.de.html?dram:article_id=64303

 

 

In der Neuen Rheinischen Zeitung (NRhZ) veröffentlicht in Ausgabe 677 vom 10.10.2018 unter http://www.nrhz.de/flyer/beitrag.php?id=25279

 

 

Evelyn Hecht-Galinski, Tochter des ehemaligen Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, Heinz Galinski, ist Publizistin und Autorin. Ihre Kommentare für die NRhZ schreibt sie regelmäßig vom „Hochblauen“, dem 1165 m hohen „Hausberg“ im Badischen, wo sie mit ihrem Ehemann Benjamin Hecht lebt. (https://www.sicht-vom-hochblauen.de/) 2012 kam ihr Buch „Das elfte Gebot: Israel darf alles“ heraus. Erschienen im tz-Verlag, ISBN 978-3940456-51-9 (print), Preis 17,89 Euro. Am 28. September 2014 wurde sie von der NRhZ mit dem vierten „Kölner Karls-Preis für engagierte Literatur und Publizistik“ ausgezeichnet.

2 Kommentare zu Mörderisches Schweigen Von Evelyn Hecht-Galinski

  1. Liebe Evelyn, wieder ein ganz hervorrgender Beitrag, welcher insbesondere auf erschreckendste Weise das Problem der deutschen wie auch PolitikerInnen der EU aufzeigt. Das für die meisten dieser PolitikerInnen die Menschenrechte für die unterdrückten PalästinenerInnen nicht zählen, bzw. ganz bewusst außer Kraft gesetzt werden, ist nicht nur ein Mangel an Courage und Rechtsvertändnis, sondern vor allem ein Beweis für die Politik des Recht des stärkeren. Erschreckend, das aus der Geschichte gerade die sog. VolksvertreterInnen nichts gelernt haben. Vor allem die sog. Linken sollten endlich ehrlich sein und das Wort Menschenrechte aus ihrem Vokabular entfernen!!!

  2. Ich tu mich in der Zwischenzeit sehr schwer, Juden einzuordnen. Wie wollen sie behandelt werden, wer darf sie wie kritisieren, ist Kritik überhaupt erlaubt, berechtigt oder auch nicht,wird alles was man an Juden und deren Verhalten kritisiert bereits als Majewstätsbeleidigung verstanden, Juden gehörene alle einer Glaubensgemeinschaft an (ob gläubig oder auch nicht), für Außenstehende nicht erkennbar. Herr Friedman bezeichnet sich ja als deutscher Jude. Gibt es also nationale Unterschiede des Jüdischsein? Frau Knobloch bezeeichnet die AfD als Nazipartei. Heute erfahre ich dass es die Gründung der Gruppe „Juden in der AfD“ gegeben hat. Juden also in einer Nazipartei.Scheinbar graust es Juden vor gar nichts mehr. Schlimm genug was sie in Palästina anrichten und immer noch den Anspruch auf Respekt erheben. Wenn sie aber bei uns jetzt sämtliche Schranken des guten Geschmacks einreisen dürfen sie sich über Kritik an ihrer Glaubwürdigeit nicht mehr wundern. Die ist mehr als angebracht.

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