„Unser Vater ist ein Fuchs“ Von Jacob Reimann

https://www.jungewelt.de/artikel/407823.tod-in-gaza-unser-vater-ist-ein-fuchs.html

Liebe Politikinteressierte,

letzten Mittwoch feierte die Doku Not Just Your Picture in B-Wedding Deutschland-Premiere.

Der Film behandelt die tragische Geschichte der deutsch-palästinensischen Kilani-Familie. Im Gaza-Krieg 2014 hat die rechtsextreme Netanyahu-Regierung 7 Kilanis ermordet, als sie in einem unaussprechlichen Kriegsverbrechen das Hochhaus bombardierte, in dem die Familie Unterschlupf fand.

Der Film portraitiert die zwei Geschwister Layla und Ramsy, die in NRW wohnen und deren Vater, dessen neue Frau und fünf Geschwister getötet wurden. Ramsy ist ein Kumpel von mir. Ein unfassbar positiver junger Mann.

Für die junge Welt war ich vor Ort und habe den Film besprochen (s. Link).

Eine Bitte: In Deutschland erleben wir eine unsagbare Cancel Culture bei allem, was Palästinenser*innen als Menschen, nicht wilde Tiere darstellt. Daher finden die zwei Regisseur*innen keine Kinos, die den Mut haben, den Film auszustrahlen. Sprecht daher bitte progressive Kinos in eurer Stadt an, ob sie den Film zeigen wollen. Ich kann den Kontakt zu den Regisseur*innen herstellen und auch den Film selber bereitstellen.

Jacob Reimann
DANKE!

»Unser Vater ist ein Fuchs«
Das Schicksal der Kilani-Familie

Aus: Ausgabe vom 06.08.2021, Seite 11 / Feuilleton

Tod in Gaza

»Unser Vater ist ein Fuchs«

2014 werden in Gaza sieben Mitglieder der deutsch-palästinensischen Kilani-Familie getötet. »Not Just Your Picture« erzählt ihre Geschichte

Von Jakob Reimann

© 2020 Not Just Your Picture

Großmutter Fatma zeigt ein Foto der 2014 in Gaza getöteten Kilani-Familie

»Not Just Your Picture«, Regie: Anne Paq und Dror Dayan, BRD (u. a.) 2020, 56 Min., nächste Vorführungstermine: notjustyourpicture.com

Seit 13 Tagen wütet der Krieg. Er wird am Ende weit über 2.000 Menschen das Leben kosten. Sie kämpfen gegen Terroristen, sagen sie, doch sind drei von vier Toten Zivilisten. Es ist der 21. Juli 2014, in Gaza-Stadt. Israelische Kampfjets bombardieren ein Hochhaus. Sieben Mitglieder der Kilani-Famile werden getötet: Ibrahim (54), Taghrid (45), Rim (zwölf), Sawsan (elf), Jassin (neun), Jasser (acht), Elias (vier).

Der Dokumentarfilm »Not Just Your Picture« von Anne Paq und Dror Dayan, der in dieser Woche in Berlin Deutschland-Premiere feierte, erzählt die Geschichte der Kilanis. Anfang der 80er zieht Ibrahim aus Gaza zum Studium nach Deutschland. Schon als kleiner Junge war er verrückt nach Architektur, kritzelte Gebäude auf jede Oberfläche, die er finden konnte. In Siegen lernt er Kerstin kennen, wacklige Aufnahmen zeigen die ausgelassene Hochzeitsfeier. Anfang der 90er kommen Ramsis und Layla zur Welt. Bald gehen die Eheleute getrennte Wege, 2002 zieht Ibrahim zurück nach Gaza. Die beiden Geschwister sehen ihren Vater zum letzten Mal. Ibrahim heiratet wieder und beschert Layla und Ramsis fünf weitere Geschwister. Das Lachen ihrer Schwestern und Brüder in Gaza hören die beiden nur übers Telefon. Jedes Mal sagen alle, wie sehr sie sich lieben, doch getroffen haben sich die sieben nie.

In Gaza lernen wir Ibrahims Bruder Salih kennen. Per Video telefoniert der stolze Onkel mit Layla und Ramsis. »Wir sind wie ein Vogel in einem Käfig«, sagt er. Diesen strahlenden Mann weinen zu sehen geht an die Substanz. Wir begleiten Salih durch Gaza. Mit seiner Schwester Khadidscha besucht er die Obstplantage, die sein Bruder gekauft hatte. Zwei Jahre lang konnten Salih und Khadidscha die Plantage nicht betreten, zu groß war die Trauer um ihren getöteten Bruder. Die Plantage verdorrte. Doch dann kam der Regen zurück, erzählt Khadidscha, und es sprießt wieder neues Leben. Sie pflückt so viele Mirabellen, wie sie tragen kann.

»Unser Vater ist ein Fuchs«, erzählt Layla in Siegen. Immer ahnte er voraus, was wann wo geschehen wird. Nur einmal verließen ihn seine Instinkte. Die Familie wohnte in Beit Lahia, im Norden des Gazastreifens. Unweit der Grenze zu Israel war die Stadt oft Schauplatz der Gewalt, 2009 begeht die israelische Luftwaffe das Massaker an der Ibrahim-Al-Makadma-Moschee. Als im Sommer 2014 die ersten Bomben fallen, ahnt Ibrahim, dass seine Familie hier nicht mehr sicher ist. Seine Mutter Fatma fleht ihn an: »Bleibt. Lasst uns alle hier zusammen sterben!« Doch Ibrahim »will seine Kinder in ein sichereres Gebiet bringen«. Sie fliehen nach Schedschaija zur Familie von Ibrahims Frau Taghrid. Doch in der Nacht wird der Vorort dem Erdboden gleichgemacht und sie ziehen weiter nach Gaza-Stadt. Schließlich finden sie Unterschlupf in einem Bürogebäude, dem »Al-Salam Tower«. Einen Tag später ist der »Turm des Friedens« ein Schutthaufen. Weiterlesen in junge Welt

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