Der ausgesetzte New-START-Vertrag – oder: Wie Russland vom Westen lernte Autor : Leo Ensel

Der ausgesetzte New-START-Vertrag – oder: Wie Russland vom Westen lernte – GlobalBridge

Dieses Mal war Russland die Atommacht, die einem der letzten noch existierenden Abrüstungsverträge möglicherweise den Todesstoß versetzte. Auf dem Weg in den Abgrund war bislang der Westen jahrzehntelang vorangegangen. In seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation hat der russische Präsident Wladimir Putin jetzt angekündigt, den letzten zwischen Russland und den USA noch gültigen Rüstungskontrollvertrag, den […]

Der von den USA gekündigte «Open Skies»-Vertrag hat funktioniert: Dänische F-16-Kampfjets eskortieren ein russisches Beobachtungsflugzeug (Bild OSCE 2008)

Der ausgesetzte New-START-Vertrag – oder: Wie Russland vom Westen

lernte

Autor : Leo Ensel

Allgemein, Geschichte, Militär, Politik

Dieses Mal war Russland die Atommacht, die einem der letzten noch existierenden Abrüstungsverträge möglicherweise den Todesstoß versetzte. Auf dem Weg in den Abgrund war bislang der Westen jahrzehntelang vorangegangen.

In seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation hat der russische Präsident Wladimir Putin jetzt angekündigt, den letzten zwischen Russland und den USA noch gültigen Rüstungskontrollvertrag, den New-START-Vertrag, der die Zahl der amerikanischen und russischen strategischen Atomsprengköpfe auf je 1.500 und die der Trägersysteme auf je 800 begrenzt, auszusetzen – was auch immer das genau heißen mag. Immerhin deutete Putin an, was gemeint sein könnte: Es geht offenbar (zunächst ‚nur‘?) um die definitive Kündigung amerikanischer Kontrollinspektionen in russischen Rüstungsfirmen. Zudem behält sich Russland ab sofort wieder die Option von Atomwaffentests vor, falls die USA entsprechende Testreihen starten sollten. Putin wörtlich: „Natürlich werden wir nicht die ersten sein, aber wenn die USA sie testen, werden wir es auch tun. Niemand sollte sich der gefährlichen Illusion hingeben, dass die globale strategische Parität zerstört werden könnte.“

Damit ist der letzte noch existierende Vertrag in Sachen Rüstungskontrolle zwar noch nicht gekündigt, er hat allerdings einen schweren, möglicherweise tödlichen Schlag erhalten. Der New-START-Vertrag war im April 2010 von den damaligen Präsidenten der USA und Russlands, Barack Obama und Dmitrij Medwedew, unterzeichnet und Ende Januar 2021 nach dem Amtsantritt Joe Bidens in buchstäblich letzter Minute um weitere fünf Jahre verlängert worden. Sollte er tatsächlich Anfang 2026 auslaufen, so stünde die Welt – abgesehen von dem Non-Proliferation Treaty (NPT), dem ‚Atomwaffensperrvertrag‘ – erstmals seit den Siebziger Jahren ohne jeglichen Vertrag in Sachen Rüstungsbegrenzung da. Anders formuliert: Selbst zu Zeiten des Kältesten Krieges hatten sich die verfeindeten Supermächte auf ein paar wenige, aber wichtige ‚Spielregeln‘ geeinigt, an die sich beide peinlich hielten – die nun aber alle obsolet sind!

Dies verweist für die Zukunft einer multipolaren Welt mit mehr als zwei relevanten ‚nuklearen Playern‘, von denen sich nahezu keiner mehr an Regeln hält, nichts Gutes. Neu ist weiterhin, dass es jetzt Russland ist, das in Richtung Vertragskündigung vorprescht. Denn bislang waren es stets die USA gewesen, die hier seit Jahrzehnten mit schlechtem Beispiel vorangingen. Und das Sündenregister ist lang. – Schauen wir es uns im Detail an!

Der A-KSE-Vertrag

Es begann bereits mit dem Ende 1999 ausgehandelten angepassten A-KSE-Vertrag, der nach dem Ende des ersten Kalten Krieges die konventionellen Streitkräfte in Europa auf ein präzedenzlos niedriges Niveau begrenzte. Während die Nachfolgestaaten der Sowjetunion Russland, Belarus, die Ukraine und Kasachstan den Vertrag 2004 ratifizierten, erfolgte eine Ratifizierung durch die NATO-Staaten nicht, sodass Russland angesichts der zugunsten des Westens veränderten militärpolitischen Rahmenbedingungen in Europa im Dezember 2007 die Umsetzung des Vertrages entnervt aussetzte und diesen schließlich im März 2015 kündigte, nachdem sich die NATO anderthalb Jahrzehnte lang kontinuierlich an Russland heranerweitert und die USA obendrein angekündigt hatten, im Rahmen eines Militärmanövers zeitweise 3000 US-Soldaten ins Baltikum zu verlegen. Weiterlesen.ch

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