Gilad Atzmon: Gefährder der Macht Von Anneliese Fickentscher und Andreas Neumann, NRhZ

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Zum Buch „The Wandering Who“
Gilad Atzmon: Gefährder der Macht
Von Anneliese Fikentscher und Andreas Neumann

Um es gleich zu Beginn zu sagen: Gilad Atzmon ist ein Gefährder der Macht. Seine Gedanken drohen – indem sie einen Betrug als solchen entlarven – einen wesentlichen Pfeiler eines Machtgefüges zum Einsturz zu bringen. Das wird besonders deutlich an einer zentralen Aussage aus seinem Buch „The Wandering Who“: Es gibt eine jüdische Religion, aber es gibt kein jüdisches Volk und keine jüdische Rasse. Gemäß des israelischen Historikers Shlomo Sand und seines Buches „Die Erfindung des jüdischen Volkes“ sind Juden „ein Kollektiv aus vielen Menschen, die von einer auf Mythen gründenden Nationalbewegung gekidnappt wurden. Wenn Juden keine Rasse sind und nichts mit Semitismus zu tun haben, dann ist ‚Antisemitismus‘ grundsätzlich eine bedeutungslose Bezeichnung.“ Gilad Atzmon ruft auf zum Widerstand gegen Rassismus, Unterdrückung und Diskriminierung. Und er verurteilt es, weiterhin Komplize bei westlichen imperialistischen Verbrechen zu sein.

Die Erfindung des jüdischen Volkes

In Gilad Atzmons „The Wandering Who“ lesen wir über das Buch „Die Erfindung des jüdischen Volkes“: Das Buch „leistete eine gründliche Untersuchung des betrügerischen Charakters der zionistischen Geschichtsversion. In seinem Buch wirft Sand ernsthafte Zweifel daran auf, dass das jüdische Volk je als Nation oder Rasse existierte und jemals einen gemeinsamen Ursprung besaß. Vielmehr ist es eine bunte Mischung von Gruppen, die in verschiedenen Stadien der Geschichte die jüdische Religion annahmen. Wann wurde also das jüdische Volk ‚erfunden‘?“ Sands Antwort: „In einer gewissen Phase des 19. Jahrhunderts übernahmen unter dem Einfluss des völkischen Charakters des deutschen Nationalismus Intellektuelle jüdischen Ursprungs die Aufgabe, ein Volk retrospektiv zu erfinden, weil es sie danach dürstete, ein modernes jüdisches Volk zu schaffen.“ „Demnach“ – so Gilad Atzmon – „ist das ‚jüdische Volk‘ ein erfundener Begriff… Ferner kommt Sand aufgrund seiner Arbeit mit frühen Quellen aus dem Altertum zu dem Schluss, dass das jüdische Exil ebenfalls ein Mythos ist und dass die heutigen Palästinenser mit weit größerer Wahrscheinlichkeit die Nachfahren des antiken semitischen Volkes in Judäa/Kanaan sind als die moderne aschkenasische Menschengruppe vorwiegend khazarischen Ursprungs [nördlich des Kaukasus], der er nach eigenem Eingeständnis selbst angehört.“

Mit wachsender Unabhängigkeit der archäologischen Forschung vom zionistischen Dogma sei die unangenehme Wahrheit durchgesickert. Es sei unmöglich geworden, die Authentizität biblischer Geschichten auf forensische [mit kriminalistischen Methoden ermittelte] Fakten zu gründen. „Solche wissenschaftlich verifizierbaren Fakten stürzten zionistische Forscher in Verwirrung. Die Bibel ist Fiktion.“ Shlomo Sand: „Das Volk breitete sich nicht aus, aber die jüdische Religion verbreitete sich. Judentum war eine konvertierende Religion. Entgegen populärer Meinung gab es im frühen Judentum einen großen Drang, andere zu konvertieren.“ Jüdischer Expansionismus sei in den frühen Tagen der christlichen Missionierung ähnlich gewesen. Gilad Atzmon: „Schließlich bringt uns Sand zu der unausweichlichen Schlussfolgerung, dass die heutigen Juden keinen gemeinsamen Ursprung haben und dass ihre semitische Herkunft ein Mythos ist. Juden entstammen keineswegs Palästina und deshalb muss ihr Akt der so genannten ‚Rückkehr‘ als Vorwand für eine tribale [Stammesdenken entspringende] expansionistische Invasion erkannt werden.“

Gilad Atzmon hat daraus für sich einen entscheidenden Schluss gezogen: er will nicht mehr in einem Land leben, das anderen gehört. Er hat Palästina verlassen, lebt heute in London und hat erkannt: „Der Zionismus ‚erfand‘ die jüdische Nation und lotste ihre nationale Heimstatt, Israel, in einen Konflikt, der nun globale Ausmaße annimmt und zu einer ernsten weltweiten Bedrohung wird.“ Er stellt sich gegen die Ideologie des Auserwählt-Seins: „Während Auserwähltheit nach religiösem jüdischen Verständnis eine moralische Bürde ist, durch die den Juden von Gott befohlen wird, ein Vorbild ethischen Verhaltens zu geben, ist die säkulare jüdische Interpretation auf einen groben, ethnozentrischen, blutorientierten Chauvinismus reduziert. Sie ermutigt diejenigen, die das ‚Glück‘ haben, eine jüdische Mutter zu besitzen, zu blinder Selbstliebe.“

Die Holocaust-Religion

Aber was macht Gilad Atzmon nun so gefährlich? Wenn er die Gedanken und Erkenntnisse von Shlomo Sand ausbreitet, kann er doch kaum gefährlicher als Shlomo Sand sein. Nun, ein Problem besteht darin, dass er die Überlegungen verschiedener Denker zusammen führt, z.B. auch die von Norman Finkelstein: „Der amerikanische Historiker Norman Finkelstein hat recht, wenn er argumentiert, dass Israel nach 1967 den Holocaust in ein politisches Instrument verwandelte, als es eine ‚ethische‘ Entschuldigung als nicht ethischer Besatzer benötigte.“ Über dessen Gedanken kommt er zum Begriff der „Holocaust-Religion“, eine Religion, die den Holocaust als Herrschaftsinstrument funktionalisiert. Dabei muss klar sein: es geht Gilad Atzmon nicht darum, begangene Verbrechen in Zweifel zu ziehen. Er hinterfragt aber die Funktionalisierung des Holocaust genannten Verbrechens. Und das ist aus Sicht derer, die dieses ideologische Gebäude konzipiert und mit großem Aufwand geschaffen haben, schon zuviel. Sie können es nicht zulassen, dass es Schaden nimmt oder gar zum Einsturz gebracht wird.

Gilad Atzmon führt aus, wozu er sagt, dass er dazu viele Jahre gebraucht habe, es zu erkennen: „Professor Yeshayahu Leibowitz, ein in Lettland geborener und an der Hebräischen Universität wirkender Philosoph, war wahrscheinlich der Erste, der die Behauptung aufstellte, dass der Holocaust die neue jüdische Religion geworden ist. Der israelische Philosoph Adi Ophir wies ebenfalls darauf hin, dass ‚der Holocaust‘, bei weitem nicht nur ein historisches Narrativ ist, sondern zahlreiche wesentliche religiöse Elemente enthält. Er hat Priester (z.B. Simon Wiesenthal, Elie Wiesel, Deborah Lipstadt) und Propheten (Shimon Peres, Binyamin Netanyahu, die vor dem kommenden iranischen Judäozid warnen). Er besitzt Gebote und Dogmen (z.B. ‚Niemals wieder‘) und Rituale (Gedenktage, Pilgerreisen nach Auschwitz usw.). Er verfügt über eine esoterische symbolische Ordnung (z.B. Kapos, Gaskammern, Kamine, Staub, Schuhe, die Figur des Muselmann [ein fast Verhungerter im KZ – A.d.Ü.] usw.). Auch einen Tempel gibt es, Yad Vashem, und Schreine – Holocaustmuseen – in den Hauptstädten der ganzen Welt. Die Holocaust-Religion wird von einem massiven globalen finanziellen Netzwerk unterhalten, das Norman Finkelstein die ‚Holocaust-Industrie‘ nennt, sowie von solchen Einrichtungen wie der Stiftung für Holocaust-Erziehung (Holocaust Education Trust). Diese neue Religion ist in sich ausreichend schlüssig, um ihre ‚Antichristen‘ (Holocaust-Leugner) zu definieren, und mächtig genug, sie zu verfolgen (mit Gesetzen gegen Holocaust-Leugnung und gegen ‚Hass- und Hetzreden‘).“

Und weiter Gilad Atzmon: „Die Holocaust-Religion verkörpert das Wesen der liberal-demokratischen Weltanschauung. Sie bietet eine neue Form der Anbetung, indem sie Selbstliebe zu einem dogmatischen Glaubenssatz machte, bei dem der praktizierende Gläubige sich selbst anbetet. In dieser neuen Religion ist es anstelle des alten Jehova der ‚Jude‘, den die Juden anbeten: ein tapferer und geistreicher Überlebender des ultimativen Genozids, der sich aus der Asche erhob und in einen Neubeginn hinein schritt. Die Holocaust-Religion signalisiert gewissermaßen die endgültige jüdische Verabschiedung vom Monotheismus, denn jeder Jude ist potentiell ein kleiner Gott bzw. eine kleine Göttin… Die Holocaust-Religion ist das Abschluss- und Endstadium der jüdischen Dialektik; sie ist das Ende der jüdischen Geschichte, denn sie ist die tiefste und ernsthafteste Form von ‚Selbstliebe‘. Es wird kein abstrakter Gott mehr benötigt, der die Juden zum auserwählten Volk beruft; in der Holocaust-Religion übergehen die Juden einen göttlichen Mittler und erwählen einfach sich selbst… Die Holocaust-Religion konstituiert das ‚Reale‘ des Westens. Uns wird weder erlaubt, es zu berühren, noch dürfen wir einen Blick hineinwerfen. Ganz so wie die alten Israeliten, die ihrem Gott gehorchen sollten, ihn aber nie in Frage stellen durften, marschieren wir ins Nichts.“

„Der Holocaust erwies sich paradoxerweise als ‚zionistischer Sieg’“, heißt es im Vorwort des Verlages zur deutschen Ausgabe von „The Wandering Who?“. Was ist damit gemeint? Eine Ahnung kommt auf, wenn wir weiter lesen: „Wichtig ist, dass die zionistische Führung im Nationalsozialismus ‚eine nicht wiederkehrende Gelegenheit [um unsere Bewegung] aufzubauen und wachsen zu lassen‘ sah (Moshe Beilinson), und – laut Ben Gurion – ‚eine fruchtbare Kraft‘ war.“ Was damit gemeint ist, wird deutlich, wenn wir bei Klaus Polkehn lesen: „Bei Gesprächen der SS-Beauftragten… am 10. und 11. Oktober 1937 legte der Haganah-Offizier zunächst die zionistischen Ziele dar und lobte in diesem Zusammenhang den antisemitischen Terror in Deutschland: ‚Über die radikale deutsche Judenpolitik zeige man sich in nationaljüdischen Kreisen sehr erfreut, weil damit der Bestand der jüdischen Bevölkerung in Palästina so vermehrt werde, dass in absehbarer Zeit mit einer Mehrheit der Juden gegenüber den Arabern in Palästina gerechnet werden könne.’“ (siehe dazu „Alles bekannt über den Holocaust?“ in KROKODIL Nr. 23) Und noch einmal aus dem Vorwort: „Die Nähe zwischen nationalsozialistischer und zionistischer Ideologie ist verblüffend. Die Zionisten teilen die Meinung der Antisemiten, dass die Juden durch ihr biologisches (!) Erbe verdammt seien, sich von den Völkern, in denen sie leben, zu unterscheiden. Der einzige Unterschied zwischen den Rassisten beider Richtungen besteht darin, dass es bei den einen die reine Herrenrasse, die teutonische, bei den anderen die jüdische ist.“

Und Gilad Atzmon bricht ein weiteres Tabu. Er stellt die Einzigartigkeit des Holocaust in Frage: „Das Schicksal meiner Urgroßmutter war nicht so verschieden von demjenigen hunderttausender deutscher Zivilisten, die bei vorsätzlichen, wahllosen Bombardierungen starben, nur weil sie Deutsche waren. In gleicher Weise starben Menschen in Hiroshima, nur weil sie Japaner waren. Drei Millionen Vietnamesen starben, nur weil sie Vietnamesen waren, und 1,3 Millionen Iraker starben, weil sie Iraker waren. Ich denke, dass wir 65 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz das Recht haben, anzufangen, Fragen zu stellen. Wir sollten historische Beweise und Argumente verlangen, anstatt einem religiösen Narrativ zu folgen, der durch politischen Druck und Gesetze aufrechterhalten wird. Wir sollten den Holocaust seines judäozentrischen Ausnahmestatus entkleiden und ihn als historisches Kapitel behandeln, das in eine bestimmte Zeit und an einen bestimmten Ort gehört. Der Holocaust muss, wie jeder andere historische Narrativ auch, korrekt analysiert werden. 65 Jahre nach der Befreiung von Auschwitz sollten wir die Frage stellen können: Warum? Warum wurden die Juden gehasst? Warum haben sich Europäer gegen ihre Nachbarn erhoben? Warum werden die Juden im Nahen Osten gehasst, wo sie doch sicherlich die Chance hatten, eine neue Seite ihrer bewegten Geschichte aufzuschlagen? Wenn sie dies aufrichtig planten, wie die frühen Zionisten behaupteten, warum scheiterten sie dann? Warum verschärfte Amerika seine Einwanderungsgesetze inmitten drohender Gefahr für europäische Juden? Wir sollten auch fragen, welchem Zweck die Gesetze gegen Holocaustleugnung dienen. Was hat die Holocaust-Religion zu verbergen? Solange wir scheitern, Fragen zu stellen, sind wir zionistischen Lobbys und ihren Machenschaften unterworfen. Wir werden weiterhin im Namen jüdischen Leids töten. Wir werden weiterhin Komplizen bei westlichen imperialistischen Verbrechen sein.“

Schutzschild der Hochfinanz

Was ist das für ein Begriff: „jüdisch“? Das ist ein Wort, das nicht hinterfragt und definiert werden darf – das wie die Funktionalisierung des Holocaust nicht berührt werden darf. Genau das aber tut Gilad Atzmon. „Die subtile Dekonstruktion Atzmons der Ideologie des ‚Jüdischseins‘, der ‚jüdischen Identität‘ trifft und entlarvt deren innere Zweideutigkeiten, Verlegenheiten und Widersprüche“, heißt es im Vorwort des Verlages zur deutschen Ausgabe von „The Wandering Who?“ So wird deutlich, dass Begriffe wie „jüdisch“ und dessen Gegenstück „antisemitisch“ in Stellung gebracht werden und ihre Funktion als trickreiches, tückisches Instrument der Herrschaftsabsicherung entfalten. Die Hochfinanz – ob sie sich nun als jüdisch definiert oder nicht – hat sich mit dem Begriff „jüdisch“ ein Instrument, eine Art Schutzschild geschaffen, mit dem sie sich unangreifbar machen will. Das darf nicht enttarnt werden. Antisemitismus ist nach Gilad Atzmons Erkenntnis ein Mittel, mit dem der Zionismus am Leben gehalten wird: „Und wenn nicht ab und zu einmal eine Synagoge angezündet würde, wäre der Mossad bereit, eine abzubrennen.“

Gilad Atzmon wagt es, nach dem Einfluss der Kreise zu fragen, die sich hinter ihrem Schutzschild verbergen. Er zitiert z.B. den britischen Kommentator Stuart Littlewood, der nach den britischen Parlamentswahlen 2010, als der „Jewish Chronicle“ eine Liste von vierundzwanzig jüdischen Parlamentsabgeordneten – zwölf von den Konservativen, zehn von Labour und zwei von den Liberaldemokraten – veröffentlicht hatte, dazu schreibt: „Die jüdische Bevölkerung im Vereinigten Königreich (UK) beläuft sich auf 280.000 Personen oder 0,46 Prozent. Im Unterhaus gibt es 650 Sitze, so dass anteilsmäßig Juden auf nur drei Sitze Anspruch hätten. Mit 24 Sitzen sind Juden achtfach überrepräsentiert. Was natürlich bedeutet, dass andere Gruppen, einschließlich der Muslime, unterrepräsentiert sein müssen. Falls zum Beispiel Muslime im selben Maß wie Juden (d.h. acht Mal) überrepräsentiert wären, besäßen sie 200 Sitze. Die reine Hölle bräche dann los.“

Gilad Atzmon fragt: „Warum sind Juden im Parlament, in britischen und amerikanischen politischen Interessengruppen (pressure groups), bei politischen Spendenaktionen und in den Medien so überwältigend überrepräsentiert?“ und sucht nach einer Antwort: „Haim Saban, der viele Milliarden schwere israelisch-amerikanische Medienmogul, bietet in einem Interview in ‚The New Yorker‘ eine Antwort: Auf einer Konferenz in Israel beschrieb Saban seine Formel. Seine ‚drei Wege zum Einfluss in der amerikanischen Politik‘, so sagte er, wären: Spenden an politische Parteien, die Gründung von Denkfabriken (Think Tanks) und die Kontrolle von Medienbetrieben.“ In diesem Zusammenhang ist auch der Think Tank „Projekt für das neue amerikanische Jahrhundert“ (Project for the New American Century PNAC) zu sehen, „das von 1997 bis 2006 bedeutenden Einfluss auf die Regierung des Präsidenten George W. Bush ausübte.“ Es ist der Think Tank, der die Operation 9/11 – das Verbrechen vom 11. September 2001 – als „Neues Pearl Harbor“ herbei schreibt. Gilad Atzmon diagnostiziert die Rolle der USA als Instrument des Zionismus. Strategie des Zionismus sei es, „mit aller Macht die gegenwärtige Supermacht vor den eigenen Karren zu spannen… Man braucht nur den ersten und prominenten zionistischen Propheten Theodor Herzl zu lesen, um zu wissen, dass es bei politischem Zionismus überhaupt nur um eines geht: Supermächte in den Dienst der zionistischen Sache zu stellen.“ Gilad Atzmon schreibt über den Wirtschaftswissenschaftler, Propagandisten des „Neoliberalismus“ und überzeugten Zionisten Milton Friedman: „Wir alle zahlen einen sehr hohen Preis für freies Unternehmertum, Null Regierungsintervention, fehlende Regulierung, harten Kapitalismus – allgemein, für die Ideologien, von denen Friedman so begeistert war… Die Transformation des Westens in eine von unerbittlicher Gier getriebene Dienstleistungswirtschaft – ein Prozess, der Friedmans Rezepten folgte – erweist sich nun als Katastrophe.“ Das alles spiele sich nicht im Verborgenen ab: „Wie ich bereits früher erwähnte, gibt es so etwas wie eine ‚jüdische Verschwörung‘ nicht. Alles geschieht ganz offen.“

Die Vision: ein Staat, in dem alle Menschen die gleichen Rechte genießen

Gilad Atzmon appelliert: „Deshalb bin ich der Ansicht, dass deutsche Verantwortung sich in der Unterstützung des palästinensischen Volkes ausdrücken sollte, denn im Grunde sind die Palästinenser Hitlers letzte Opfer. Fast sieben Jahrzehnte nach der Befreiung von Auschwitz leben Millionen enteigneter und entrechteter Palästinenser als Flüchtlinge in Freiluftgefängnissen. ‘Deutsche Verantwortung’ sollte jedoch auch bedeuten, den nötigen Mut zu fassen, Israel vor seinem rassistischen, militärischen Wahnrausch zu bewahren. Hätten die Deutschen die notwendige Lektion aus ihrer nationalsozialistischen Vergangenheit gezogen, sollte sie sich in einem unnachgiebigen Widerstand gegen Rassismus, Unterdrückung und Diskriminierung ausdrücken. Deutsche Politiker, Intellektuelle und Künstler sollten die Ersten sein, die ihr israelisches Gegenüber auf die mit Rassismus, Nationalismus und Expansionismus verbundenen Gefahren hinweisen.“

„Es mag irritierend sein, zu erfahren, dass nur drei Jahre nach der Befreiung von Auschwitz (1945) der soeben gegründete jüdische Staat die große Mehrheit der einheimischen Bevölkerung Palästinas ethnisch säuberte (1948). Nur fünf Jahre nach dem Ende des zweiten Weltkrieges erließ der jüdische Staat rassendiskriminierende Rückkehrgesetze, um zu verhindern, dass die palästinensischen Flüchtlinge von 1948 in ihre Städte, Dörfer, Felder und Obstplantagen zurückkehrten. Diese noch heute in Kraft befindlichen Gesetze unterschieden sich nicht grundsätzlich von den berüchtigten Nürnberger Gesetzen der Nazis. Dieser einmalige institutionelle Mangel an Mitgefühl verdient einige Aufmerksamkeit. Man könnte eigentlich erwarten, dass die Opfer von Unterdrückung und Diskriminierung sich an die vorderste Front im Kampf gegen das Böse stellen. Man könnte eigentlich erwarten, dass die Opfer von Unterdrückung und Diskriminierung nicht anderen dasselbe Schicksal zufügen. Im Falle des jüdischen Staates erfüllte sich diese Erwartung nie. Mit Millionen belagerter Palästinenser hat Israel sich selbst den Ruf eines Pariah-Staates geschaffen.“

Trotz dieser ernüchternden Sicht hat Gilad Atzmon eine Vision: „Unserem imaginären israelischen Ministerpräsidenten geht auf, dass der so genannte israelisch-palästinensische Konflikt binnen 25 Minuten gelöst werden‘ kann, sobald sich beide Völker entscheiden, zusammen zu leben… Israel ruft die Palästinenser auf, in ihre Heimat und Häuser zurückzukehren. Der jüdische Staat soll ein Staat seiner Bürger werden, in dem alle Menschen die vollen, gleichen Rechte genießen… Einige rechte israelische Gelehrte, Ideologen und Politiker schließen sich der revolutionären Initiative an und erklären, dass ein solcher heroischer einseitiger israelischer Akt die alleinige vollständige und umfassende Erfüllung des zionistischen Traums sein könnte, denn Juden sind nicht nur in ihre angebliche historische Heimat zurückgekehrt, sondern haben es endlich fertig gebracht, ihre Nachbarn zu lieben und wiedergeliebt zu werden.“

Gilad Atzmon: „The Wandering Who“, deutsche Ausgabe „Der Wandernde – Wer?“, Zambon-Verlag, Frankfurt/Main 2011, 249 Seiten

Veröffentlichung aus der Quartalsschrift DAS KROKODIL, Ausgabe 24 (März 2018) – Grundsatzschrift über die Freiheit des Denkens – bissig – streitbar – schön und wahr und (manchmal) satirisch.

Mehr dazu und wie es sich bestellen lässt, hier: http://www.das-krokodil.com/

Online-Flyer Nr. 658  vom 09.05.2018

1 Kommentar zu Gilad Atzmon: Gefährder der Macht Von Anneliese Fickentscher und Andreas Neumann, NRhZ

  1. Dank für diesen aufklärerischen Beitrag! Da wird dem Leser klar, warum es der interessierten Lobby so wichtig ist, Gilad Atzmon mit allen verfügbaren Mitteln zu verunglimpfen. Indem Gilad Atzmon das Narrativ des Judentums als „einer Nation“ zerstört (Shlomo Sand tut es ebenso!) sägt er an einem sorgsam gepflegen Machtgefüge, weit über die Anmaßung Israels, Juden der Welt eine „nationale Heimat“ zu bieten hinaus. Es ist darum aber auch kein Wunder, warum die Aufrechterhaltung angeblicher Gefährdung von Juden in ihren jeweiligen Heimatländern (in Form von angeblichem oder mutwillig erzeugtem Antisemitismus) für Israel so wichtig ist.

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